30.03.2020  |  Sportmanagement

Bundesligafußball trotz Corona-Krise

Was folgt nach dem Sturm?

Warum es der Bundesligafußball trotz Corona selbst in der Hand hat, nicht unterzugehen - Was folgt nach dem Sturm? Teil 1: Die Bundesliga ist zweitrangig – der Fußball fährt der Regierung hinterher. „Noch ist das die Ruhe vor dem Sturm“, so bewertete der für den Bundesligafußball politisch wohl wichtigste Mann, Bundesgesundheitsminister Spahn, die derzeitige Lage in deutschen Krankenhäusern und deren Intensivstationen. Es könne keiner sagen, was in den nächsten Wochen komme, so der Minister. 

Teil 1: Die Bundesliga ist zweitrangig – der Fußball fährt der Regierung hinterher


„Noch ist das die Ruhe vor dem Sturm“, so bewertete der für den Bundesligafußball politisch wohl wichtigste Mann, Bundesgesundheitsminister Spahn, die derzeitige Lage in deutschen Krankenhäusern und deren Intensivstationen. Es könne keiner sagen, was in den nächsten Wochen komme, so der Minister.

In diesen nächsten Wochen sollten eigentlich die Spieltage 26 bis 34 und damit der Deutsche Fußball-Meister, die Teilnehmer an europäischen Wettbewerben und nicht zuletzt Aufstiege und Abstiege ausgespielt werden. Dazu wird es nicht kommen. Die Versammlung der Lizenzclubs wird sich am Dienstag zu einer Videokonferenz treffen und die Aussetzung des Spielbetriebs bis Ende April beschließen. Die Ungewissheit darüber, ob die abgesagten Spieltage noch ausgetragen werden, gefährdet vor allem die Auszahlung der letzten Rate aus der Verwertung der Übertragungsrechte. Für die Beendigung der Saison bis 30. Juni bleiben die Monate Mai und Juni.

Der deutsche Profi-Fußball ist in einer ungewohnten Rolle: er kann ungeachtet seiner Strahlkraft und seiner gesellschaftlichen und medialen Bedeutung, anders als sonst, nur auf das reagieren, was politisch zur Bekämpfung dramatischer Folgen der Corona-Krise angeordnet wird. Das bedeutet auch: der Fußball muss auf Sicht den Entscheidungen der Politik folgen und jedes Lösungsszenario in eigener Fußballsache muss Stresstests auf den Ebenen „Gesundheitspolitik“ und „gesellschaftliche Anerkennung“ bestehen.

Maßstäbe für die entscheidende Frage, wann Politik und Gesellschaft Meisterschaftsspiele im Fußball akzeptieren werden, könnten folgende Aspekte werden: wird man in den nächsten Wochen in unseren Krankenhäusern dramatische Entscheidungen sehen, wie es sie in Südeuropa schon gibt? Lockert die Bundesregierung die gesellschaftlichen Beschränkungen so, dass auch andere Wirtschaftszweige mit Einschränkungen wieder arbeiten können? Schwenkt die Politik auf einen Kurs vervielfachter Virentests um und lockert im Gegenzug die vorsorglichen Quarantänebestimmungen?

Auch in hektischen Zeiten ist außerdem zu überprüfen, welche Langzeitrisiken für die Statik zwischen Clubs, Managern, Trainern, Spielern sowie der öffentlichen Wahrnehmung des Profi-Fußballs in Lösungswegen stecken. Natürlich ist die Bundesliga wie keine andere gesellschaftliche Einheit in der Lage, in Krisenzeiten für Aufbruchstimmung zu sorgen, die Menschen von Alltagssorgen abzulenken und voranzugehen, siehe 1954. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass nicht nur „Brot und Spiele“ ausgerufen werden darf. Die Teams, die - im Bild bleibend - „ins Kolosseum reiten“ sollen, müssen vorab darüber informiert werden, wie Gesundheitsgefahren für sie ausgeschlossen sind, die andere Menschen von der Arbeit und Kontakten zu Freunden abhalten. Ansonsten erleben wir möglicherweise wenig motivierte Auftritte und riskieren nicht nur aus diesem Grund Spätfolgen, die den Fußball länger begleiten könnten als Corona. Hier sind auch Spieler- und Trainerverbände gefragt.

Der Fußball wird deshalb gezwungen, in Lösungsstufen zu denken. Diese Stufen können sein:


Stufe 1: Beendigung der Saison 2019/2020 zum 30. Juni im „Normalmodus“

Neun offene Spieltage in beiden Lizenzligen zu spielen, bedeutet 81 Meisterschaftsspiele in den Monaten Mai und Juni absolvieren zu müssen. Hinzu kommt das Nachholspiel Bremen gegen Frankfurt. Das wäre in zwei Monaten im üblichen wöchentlichen Spielrhythmus machbar und es bliebe möglich, Ausweichspieltage für den Fall von Spielausfällen einzuplanen.

Die Voraussetzungen: ohne ausreichende Trainingsvorbereitung kann kein Spielbetrieb stattfinden. Direkt nach Ostern müsste daher Training in Gruppen und wenig später auch echtes Mannschaftstraining politisch und gesellschaftlich toleriert werden. Danach sieht es derzeit nicht aus. Der allgemeine „Lockdown“ gilt aktuell bis 20. April.  Daneben müsste es möglich sein, auch bei einem in der Mannschaft vorliegenden Coronafall ohne Quarantäne des Restteams weiterzuarbeiten. Nur wenn diese Voraussetzungen durchgängig vorliegen, wäre ein Saisonende im „Normalmodus“ denkbar.

Die Störfaktoren: unsicher ist, ob politisch bereits nach Ostern Trainingsbetrieb und ab Mai Spielbetrieb zugelassen wird. Falls ja, bleibt trotzdem offen, ob Krankheitsfälle in Mannschaften am Ende nicht doch den Saisonverlauf gefährden.

Fazit: es ist unwahrscheinlich, dass Mai und Juni voll als Spielzeit zur Verfügung stehen. Stufe 1 allein wird nicht genügen.


Stufe 2: Beendigung der Saison 2019/2020 zum 30. Juni im „Turniermodus“

Sollte sich im April zeigen, dass nicht den gesamten Mai gespielt werden kann, könnte in den „Turniermodus“ umgeschaltet werden, um die Saison doch noch bis 30. Juni zu Ende zu führen.

Die Voraussetzungen: auch hierfür wäre eine ausreichende Trainingsvorbereitung nötig. Um alle Spiele durchzubekommen, ohne die Belastung der Spieler über angemessene Grenzen zu führen, wäre ein Spielbeginn spätestens Anfang Juni nötig. Dazu müsste Anfang Mai trainiert werden. Außerdem wäre die Anzahl der Spielorte sinnvoll zu begrenzen und nach regionalen Gesichtspunkte festzulegen, um Reisezeiten einzuschränken und den Clubs die Möglichkeit zu geben, von Anfang bis zum Ende dasselbe „Turnierquartier“ zu beziehen.

Die Störfaktoren: das Risiko, dass eine große Anzahl Krankheitsfälle den Spielbetrieb in betroffenen Mannschaften nicht zulässt, steigt angesichts der engen Terminlage. Es drohen Wettbewerbsverzerrungen. Ausreichend Ausweichtermine bis zum 30. Juni vorzuhalten, wird dann schwierig. Der Turniermodus kann außerdem nur funktionieren, wenn gesundheitspolitisch klar ist, dass reine Verdachtsfälle nicht zur Quarantäne ganzer Mannschaften führen.

Fazit: der kleine Zeitkorridor der „Turnierlösung“ ist ein Risikofaktor, gerade wenn Ansteckungen in großer Zahl in einem Team auftreten. Außerdem besteht das Risiko, dass die Saison nicht bis zum 30. Juni komplett zu Ende gespielt werden kann. Dann wäre eine sportliche Wertung der aktuellen Tabelle schwieriger, weil zu viele Mannschaften eine unterschiedliche Anzahl von Spielen absolviert hätten. Ein weiterer Nachteil wird öffentlich noch nicht diskutiert: die fehlende Planungssicherheit der Clubs, wenn das sportliche Ergebnis der laufenden Saison nicht im Mai sondern erst deutlich später feststeht. Insbesondere Absteigern aus den beiden Lizenzligen wird die Zeit genommen, die wirtschaftlichen Schäden des sportlichen Misserfolgs möglichst gering ausfallen zu lassen.


Stufe 3: Beendigung der Saison 2019/2020 zum 30. Juni im „Turniermodus“ mit kurzfristiger Verlängerung der Spielzeit für Nachholspiele

Wenn sich die Clubs für den Turniermodus entscheiden, muss eines sichergestellt sein: die Saison muss auch bei auftretenden Krankheitsfällen und bei weiteren gesetzlichen Spiel- und Trainingsverboten sportlich fair zu Ende gebracht werden können. Dazu gehört, dass die Spiele des letzten Spieltages zur selben Zeit stattfinden. Außerdem müssen die vor dem letzten Spieltag liegenden Meisterschaftsspiele dann schon komplett absolviert sein. Es könnte daher nötig werden, für den Fall einzelner Spielausfälle bzw. zur einheitlichen Austragung des letzten Spieltages, eine – kurze – Verlängerung der Saison in den Juli hinein zu beschließen.

Die Voraussetzung: die Verlängerung der Saison muss eine Ausnahme bleiben, ausschließlich zur Austragung des letzten Spieltages bzw. von Nachholspielen.

Die Störfaktoren: die Spielerverträge enden zum 30. Juni. Eine Verlängerung der Saison wird durch die Sportverbände entschieden, die nicht selbst Partei der Arbeitsverträge sind. Spieler könnten sich unter Hinweis auf die Laufzeit ihres Vertrages weigern, anzutreten. Die für Arbeitsverträge sehr selten eingreifende gesetzliche Regelung zur "Störung der Geschäftsgrundlage" (§ 313 BGB) könnte zwar zur automatischen Anpassung aller Verträge per Gesetz führen. Sie ist in der Praxis aber nicht erprobt und deshalb rechtlich dünnes Eis. Es wird entscheidend sein, ob, ab wann und für welche Dauer die Geschäftsgrundlage im Fußballbetrieb wirklich gestört ist. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es also noch zu früh, auf diesen Lösungsweg zu setzen. Erst wenn sicher ist, dass die Saison im Turniermodus nicht bis zum 30. Juni zu Ende gespielt werden kann, wäre eine begrenzte Saisonverlängerung zur Beendigung der begonnenen Saison das letzte Mittel und eine gesetzliche Anpassung aller Verträge daher wahrscheinlich.

Fazit: die minimalinvasive Verlängerung der Saison wäre zur Not verhältnismäßig und führt zu dem rechtlich vertretbaren Ergebnis, dass an sich auslaufende Arbeitsverträge ausschließlich für Nachholspiele und den letzten Spieltag als verlängert gelten. Alle Spielerverträge wären damit auch ohne Zustimmung der Spieler bis zum Saisonende wirksam.


Alternative zu Stufe 3: frühzeitige Verlängerung der Saison 2019/2020

Es wird momentan diskutiert, schon jetzt eine weiträumige Verlängerung der Saison zu beschließen.

Die Voraussetzung: auch hier müssen nicht nur die Verlängerung der Saison, sondern auch die weitere Geltung der Arbeitsverträge von Spielern rechtssicher sein.

Die Störfaktoren: der Fußball macht sich rechtlich angreifbar, wenn er frühzeitig eine Verlängerung der Saison beschließt, ohne zu wissen, welche Zeit wirklich nötig ist, die Saison zu beenden. Die Arbeitsverträge der Spieler verlängern sich dann eher nicht automatisch per Gesetz und es müssten Einzelvereinbarungen abgeschlossen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist von diesem Lösungsweg abzuraten.

Fazit: eine von vornherein beschlossene Verlängerung der Spielzeit kann ins rechtliche Chaos führen, wenn Spieler sich teilweise nicht auf eine Verlängerung von Laufzeiten einlassen.


Teil 2: Zwei Lösungen für den Fall, dass die Saison 2019/2020 nicht zu Ende gespielt werden kann

Teil 2 lesen


Autor: Prof. Dr. Markus Buchberger 

Hinweis: die Angaben in diesem Artikel stellen keine Rechtsberatung und keinen Ersatz für Rechtsberatung in Einzelfällen dar. Der Autor und die Redaktion haften daher nicht für die Richtigkeit und Anwendbarkeit der gemachten Angaben.

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